Thüringen Philharmonie und Chor der Marktkirche sorgen für Begeisterung beim Publikum

Montag, 11.04.2022 – Wiesbadener Kurier

Von Hendrik Jung

WIESBADEN. Bevor in der Wiesbadener Marktkirche Ludwig van Beethovens neunte Sinfonie zu hören ist, erlebt das Publikum in dem bis unter das Dach gefüllten Gotteshaus eine Welturaufführung. Denn ein von Marktkirchen-Kantor Thomas Frank komponiertes Konzert für Klavier und Violine kommt hier erstmals in seiner Bearbeitung für Violine und Orchester zur Aufführung. Es ist ein gelungener Auftakt für diesen Abend, denn in den drei abwechslungsreichen Sätzen können die Mitglieder der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach bereits ihr Talent für die Darbietung vielfältiger Klangfarben unter Beweis stellen. Der strahlend-jubilierende Auftakt gelingt frühlingshafter als das Wetter außerhalb der Kirche. Das Grave im zweiten Satz wiederum versehen die Celli mit solch bitterer Süße, dass die sehnsuchtsvoll-schmerzhafte Interpretation eine geradezu orientalische Dimension erhält. Das abschließende Presto gelingt dann wahrlich filmreif, zumal es deutliche Anleihen beim Soundtrack zum Disney-Klassiker Fluch der Karibik gibt. Wie ein Uhrwerk getaktet kreiert das Ensemble mal tänzerische Parts, mal Sequenzen, bei denen vor dem inneren Auge Segel entstehen, die sich im frischen Wind blähen.

Im Hauptwerk des Abends kommt freilich noch einmal eine ganz andere Wucht zum Tragen. Diese schält sich im ersten Satz immer wieder aus einem fast ungreifbaren Schweben heraus, das mal von Streich-, mal von Blasinstrumenten erzeugt wird. Befeuert wird dies vom Dirigenten Frank, der wie gewohnt mit vollem Körpereinsatz agiert. Meisterhaft gelingt es dem Orchester, die federnd-pulsierenden Rhythmen selbst in den packendsten Passagen mit ausreichend großer Zurückhaltung darzubieten, dass ein geschmeidig-weicher Gesamtklang entsteht. Ohnehin verfügt das Ensemble nicht nur über die Fähigkeit, musikalische Bilder von großer Strahlkraft und Lebendigkeit zu erzeugen, sondern auch über großes Talent, gerade die leisen Töne zum Klingen zu bringen. Sei es beim schicksalhaft-taumelnden Ende des ersten Satzes, sei es beim in der Ferne wogenden Wirbel des zweiten Satzes. Als dieser dann förmlich auf das Publikum zurast, gestaltet das Orchester dies mit einer Entwicklung der Lautstärke, die so stringent erfolgt, dass der Klang wie am Regler eines Mischpults gezogen wirkt.

Knackige Rhythmen im Frage-und-Antwort-Spiel Die Ode an die Freude wird solistisch interpretiert von der ukrainisch-norwegischen Sopranistin Olena Androsiuk, dem aus Irland stammenden Tenor Aaron Cawley, dem deutschen Bariton Joachim Goltz sowie der in China geborenen Mezzosopranistin Lea Qin Messmer. Genauso stark, wie diese im Quartett agieren, präsentieren sich auch die Mitglieder des Marktkirchen-Chores. Diese überzeugen nicht nur mit kraftvoller Fülle, sondern auch bei der Gestaltung der anspruchsvollen Passagen in der Vertonung der von Friedrich Schiller stammenden Textvorlage. Die Männer meistern auch die hohen Tonlagen geschmeidig. Im Wechselspiel mit den Frauen gelingen knackige Rhythmen im Frage-und-Antwort-Spiel. Gemeinsam wiederum kreieren sie mit chorischem Atmen ein lang anhaltendes Schweben. Ein Konzert, das zu Recht mit lang anhaltenden, stehenden Ovationen gewürdigt wird.