Gelungene Aufführung von Bachs Johannes-Passion unter der Leitung von Thomas J. Frank

Dienstag, 16.04.2019 – Wiesbadener Kurier

Von Manuel Wenda

WIESBADEN . Es war eine von den ersten Momenten an fesselnde Aufführung: Unter Kantor Thomas J. Frank wandten sich der Chor der Marktkirche Wiesbaden und die Kammerphilharmonie Rhein-Main Johann Sebastian Bachs Johannes-Passion zu. „Herr, unser Herrscher“ erfüllte die Marktkirche, die Kammerphilharmonie Rhein-Main untermalte die vom Chor entfachte Intensität. Ganz gegenwärtig und vital gestaltete Tenor Christian Rathgeber die Partie des Evangelisten, der Passionsbericht wurde in seiner Dramatik vermittelt.

Die Interpreten vermochten es, die spirituelle Dimension des Werks spürbar zu machen. Aufs Schönste vereinigte sich der Gesang Diana Schmids (Alt) mit den Oboen in der Arie „Von den Stricken meiner Sünde“; weihevolle Flötenklänge durchzogen die Arie „Ich folge Dir gleichfalls“, in welcher die Sopranistin Gloria Rehm Erschütterung und Entrückung zum Ausdruck brachte. Im Verlauf der Passion kam die sinnliche Vermittlung der Glaubensbotschaft immer wieder zum Vorschein, die freilich mit Bachs Intellektualität einhergeht.

Kündend sang Wolfgang Vater (Bass) den Jesus-Part: Kolossale Spannung prägte das Rezitativ „Auf dass erfüllet würde das Wort“, indem er auf Pilatus (gesungen von Kammersänger Thomas De Vries) trifft. „Wer hat Dich so geschlagen“ bot der Chor der Marktkirche feingliedrig dar; die Johannes-Passion ist reich an Umschwüngen, und diese vollzogen die Sängerinnen und Sänger klanggewaltig nach: „Bist Du nicht seiner Jünger einer“ tönte scharf und bedrohlich.

Wechselspiel zwischen Brutalität und Trost

Im den zweiten Teil eröffnenden Chor „Christus, der uns selig macht“ wurden dynamische Abstufungen exakt betont. De Vries und Vater hauchten den Verhören Jesu durch Pilatus Feuer ein, zarte Streicher verliehen dem mit Tiefgang vorgetragenen Arioso „Betrachte, meine Seel“ etwas Glühendes.

Alles läuft auf die Kreuzigung zu. Der Chor der Marktkirche deutete die gegensätzlichen Bewusstseinszustände inbrünstig: Brutalität wurde in dem Chor „Wir haben ein Gesetz“ beschworen. Der Johannes-Passion wohnt Dämonisches inne – was ihre Heilsbotschaft verstärkt.

Trost spendet der Choral „Er nahm wohl alles in acht“, ergreifend war die Arie „Es ist vollbracht“, in der Diana Schmid eine Nachtstimmung entfaltete, während das Orchester unter Frank ein Aufflackern einfügte. Die Arie „Zerfließe mein Herze“ interpretierte Gloria Rehm mysteriös-filigran wie ausdrucksstark. Feierlich der Schlusschoral. Ein Abend mit Nachhall.